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Bayerische Meisterschaft 2024
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Bayerische Meisterschaft 2024

Abschlussbericht:

Es ist wieder so weit! Wie jedes Jahr findet in der letzten Augustwoche die geschlossene bayerische Landesmeisterschaft im Gasthof Höhensteiger in Rosenheim statt. Wie letztes Jahr wird der Bezirk Niederbayern, und damit auch Taufkirchen und Passau, von Philipp Biedenkopf und Richard Kaiser vertreten. Beide hoffen dabei, besser abzuschneiden als letztes Jahr, als mit 3/9 bzw. 2,5/8 ein nur durchschnittliches Ergebnis eingeholt werden konnte, euphemistisch gesprochen. Dabei könnte helfen, dass beide dieses Jahr zum ersten Mal vor Ort im Gasthof untergebracht sind und nicht wie letztes Jahr umständlich pendeln bzw. campen. Beide befinden sich nach der sehr erfolgreichen niederbayerischen Meisterschaft 2024 und einem aktiven August wohl auch in guter Form. Tragisch ist nur, dass deswegen die Innviertler Meisterschaft 2024 verpasst wird, welche nächsten Freitag in Taufkirchen startet.

Viel hat sich geändert im Vergleich zum letzten Jahr. Das Teilnehmerfeld ist von 48 auf 27 geschrumpft, da pro Bezirk nur noch zwei anstatt vier Spieler teilnahmeberechtigt sind. Des Weiteren sind mit unter anderem Moritz und Lukas Stöttner, Ediz Kocak, Markus Albert, Tobi Kolb und Sebastian Böhme viele starke 2200+ Stammgäste nicht dabei, manche im offenen Boykott gegen das Turnier, welches letztes Jahr etwas chaotisch ablief – von einem wegen “Cashgrab Freiplatzantrag” aufgeblähtem Teilnehmerfeld, verlegten Partieansetzungen, ausgefallenen Klimaanlagen über einer Rekordzahl an Turnierabbrüchen bis hin zu der berüchtigten und umstrittenen Partieannulierung in der siebten Runde letztes Jahr; von allem war etwas dabei. Es bleibt zu hoffen, dass das Turnier diesen Durchgang wieder reibungsloser abläuft und für die nächsten Jahre wieder mehr starke Spieler anzieht - gefühlt ist das Turnier in der Breite so schwach besetzt wie noch nie, es sind nur fünf (!) Spieler mit über 2200 FIDE dabei. 

Auch Vorjahressieger Sebastian Reimann, zwischenzeitlich auf 2369 FIDE gestiegen, ist dieses Jahr nicht mit dabei. Turnierfavoriten dürften damit wie üblich die Erlanger FMs Schulz und Miller sowie der Vorjahresvize FM Lars Goldbeck sein, welcher letzte Woche beim Normturnier in Rosenheim seine zweite IM Norm klarmachte und ein persönliches Live-Elo-Peak von 2372 FIDE erreichte. 

Sonntag, 25.08., 16 Uhr geht es los, mal sehen, was der Turnierstart so mit sich bringt. 

Runde 1:

Die erste Runde lief schon mal relativ erfolgreich. Richard hatte Schwarz gegen den Regensburger Pokerstar Lennart Uphoff (2231 DWZ) und probierte eine sehr moderne Variante (d4 Nf6, c4 a6!? - ein Max Berchtenbreiter Special) zum ersten Mal aus, was ihm einen großen Zeitvorteil einbrachte. Weiß konnte sich jedoch sehr gut rausspielen, aber am Ende nur ein typisches 4v3 Turmendspiel erreichen, welches Richard mit beeindruckender Abgeklärtheit ins Remis verteidigte.

Philipp, der die letzten zwei Jahre mit zerstörerischen Angriffspartien die ersten Runden gegen Stärkere gewinnen konnte, startet dieses Jahr in der oberen Turnierhälfte und hatte dementsprechend Weiß gegen Moritz Sesselmann (1873 FIDE), gegen welchen er letztes Jahr nicht über ein Remis hinauskam. In der Partie dieses Jahr kam eine dieser Catalan-Gambit Varianten aufs Brett, in der Weiß die ganze Partie einen Bauer weniger hat, Schwarz aber ohne Aktivität hinten drin steht. Sein Gegner kam auch nie wirklich raus und stellte bereits auf Zug 25 mit wenig Zeit entnervt eine Figur ein. Schöner Positionssieg insgesamt.

Auch noch kurios: Bei der Partie an Brett 8 war der schwarze Spieler mit 170 Punkten Elo-Favorit, jedoch mit 60 Punkten DWZ-Underdog! In Deutschland ist üblicherweise die DWZ der präzisere Spielstärke-Indikator, da im Vergleich zu Österreich viele Ligen leider nicht elo-gewertet werden. In der Partie gewann jedoch Schwarz.

Im Vergleich zum letzten Jahr sind die Ergebnisse jetzt erstmalig auf chessresults zu finden, und die ersten 10 Bretter werden live auf lichess übertragen - eine klare organisatorische Verbesserung.  Runde 1 Partien

Morgen am Montag um 15 Uhr geht es mit der zweiten Runde weiter.

Runde 2:

 Auch Runde 2 lief sehr erfolgreich. Richard konnte mit seiner Spezialwaffe gegen Sizilianisch (1.e4 c5, Be2!?) den an 5 gesetzten Zalan Andreas Lang (2286 DWZ!) vernichtend besiegen. Schwarz war mit dem Positionstyp nicht vertraut und wurde am Ende taktisch vernichtet. Super interessante chaotische Partie, typisch Richard. Rabenschwarzer Start ins Turnier für seinen Gegner, welcher bereits gestern ein besseres Endspiel überzog und dann sogar auf Zeit verlor.

Philipp lieferte sich mit Schwarz einen zähen Kampf mit FM Robin Schlichtmann (2264 FIDE). Zwar stand er etwas schlechter, konnte es jedoch kompliziert halten, um Gegenchancen zu haben, und konnte am Ende das Remis retten. Der Weg zum Sieg für den Gegner wäre das berühmte doppelte Qualitätsopfer gewesen, die Partie ist unten verlinkt. Damit stehen beide bei 1,5/2 - sehr gelungener Start ins Turnier. Morgen steht aber die erste Doppelrunde an.

Runde 3+4:

Am Dienstag fand die erste Doppelrunde statt. Am Vormittag lief noch alles gut. Philipp spielte gegen Tobias Ammon (2199 FIDE), gegen welchen er letzten November noch ein langwieriges Damenendspiel verloren hatte. Dieses Mal gab es allerdings ein recht ereignisloses Remis, aus dem Eröffnungsvorteil konnte nicht viel gemacht werden.

Richard bekam von Philipp seinen gestrigen Gegner FM Robin Schlichtmann übergeben, und konnte jetzt schon eines der Turnier Highlights liefern, da er die Partie gewinnen konnte! Aus der Jobava London Eröffnung wurde die Dame des Gegners mit einem wunderbaren Bc7!! Zug gefangen. Schwarz kämpfte zwar noch lange mit dem Läufer-Turm gegen Dame Ungleichgewicht weiter und hatte noch echte Konterchancen, am Ende ließ sich Richard den Sieg aber nicht mehr nehmen. Amüsanterweise wurde danach festgestellt, dass der Damenfang sogar noch in Richards Eröffnungskurs drin stand, obwohl er es in der Partie am Brett gefunden hat.

Der Nachmittag verkam allerdings zu einem kleinen Disaster. Richard verlor nach einer ungünstigen Französisch-Eröffnung gegen den 14-jährigen Tugrul Türel (2033 FIDE), welcher zur Belohnung morgen mit 3,5/4 Punkten an Brett 1 spielen darf. Dort besiegte FM Miller den bis dato unantastbaren FM Lars Goldbeck.

Philipp spielte gegen den Kelheimer Florian Gold (2030 DWZ), welcher ihm auf Zug 5 mit Schwarz Remis anbot! Selbstverständlich wurde weitergespielt und versucht, die Position gegen den offensichtlich nur auf Remis spielenden Gegner interessant zu halten, allerdings wurde es schnell dann überraschend schlecht. Am Ende kam ein 3v4 Turm- und Springerendspiel heraus, welcher der Gegner leider verwerten konnte. Eine psychologisch sehr schwierige Niederlage.

Daher hat uns die anstrengende Doppelrunde den guten Start leider etwas ruiniert. Egal, morgen in Runde 5 wird weiter angegriffen.

Runde 5:

Die Turniermitte brachte die Feststellung mit sich, dass beim Schach auch manchmal Glück dazugehört. Philipp gewann in ca. einer Stunde gegen Christoph Sesselmann (2059 DWZ), nachdem dieser auf Zug 7 eine Figur einstellte. Zweiter Turniersieg für Philipp, und beide gegen die Brüder Sesselmann.

Richard hatte eine strategisch spannende Französisch Position, diesmal aus der weißen Perspektive gegen den inkonstanten Routinier Michael Vollnhals (2187 FIDE). Nach zu vielen Bauernzügen ging es dann aber schnell den Bach runter und Schwarz konnte relativ souverän gewinnen.

Morgen steht dann die zweite und letzte Doppelrunde an. Das Turnier geht in die heiße Phase, hoffentlich läuft es auch besser für uns als am Dienstag Nachmittag.

Runde 6 + 7:

Der Vormittag brachte zunächst nicht die erhoffte Wende mit sich. Philipp spielte mit Weiß gegen FM Roland Schmid, ein bayerischer Veteran, der seit vielen Jahren Brett 1 in der Oberliga (der höchsten Spielklasse Bayerns) spielt. Vom Start weg kam eine völlig andere Eröffnung als erwartet aufs Brett, und Schwarz stand schnell besser. Irgendwann opferte Weiß dann Material für den Angriff und eine unübersichtliche Chaos-Position entstand, in der beide Seiten mehrfach Chancen ausließen, aber am Ende setzte sich die Erfahrung durch.

Richard spielte gegen den etwas eigenwilligen Pascal Eichenauer (2103 DWZ), welcher immer mit Hut und einem Stofftier-Wildschwein am Brett auftaucht. Zwar bekamen wir hier genau die Variante aufs Brett, die wir vorbereitet haben, Richard wurde jedoch auf Zug 9 aus dem Konzept gebracht und geriet dann schnell in ein schlechtes Endspiel, was der Gegner dann verwerten konnte, wenn auch etwas umständlich. Da war das Wildschwein wohl doch zu einschüchternd.

Am Nachmittag gelang uns aber der ersehnte Befreiungsschlag. Philipp remisierte eine schwierige defensive Nimzo-Partie mit Schwarz gegen Paul Weichlein (2135 DWZ), in der am Ende mit allen Schwerfiguren am Brett seinen König von g8 nach h4 (!) hätte laufen müssen, um auf Sieg zu spielen.

Richard hingegen gelang sein dritter Turniersieg gegen den arg gebeutelten Leonhard Knoblauch (2177 DWZ). Nach einer unorthodoxen Eröffnung konnte Richard seinen unmotiviert blitzenden Gegner taktisch überlisten und die Partie dann schön zu Ende spielen. Sein Gegner brach danach mit 1/6 Punkten und -60 Elo das Turnier ab.

Damit haben wir jetzt beide 50%, also 3,5/7 Punkten. Auch haben wir beide schon unser (zugegeben ziemlich schlechtes) Ergebnis vom letzten Jahr getoppt, und das bei noch zwei ausstehenden Runden. Morgen warten aber wie üblich sehr starke Gegner.

Auch ganz vorne geht das Turnier jetzt in die heiße Phase. Am Spitzenbrett rettete FM Miller ein völlig verlorenes Springer gegen Läufer Endspiel gegen FM Robin Schlichtmann und steht damit jetzt bei 6/7, einen halben Punkt vor dem weiter stark spielenden FM Lars Goldbeck. Der Turniersieg wird mit ziemlicher Sicherheit zwischen den beiden entschieden werden.

Runde 8:

Die vorletzte Runde brachte wieder Ernüchterung. Philipp hat (zu seiner Freude) wieder mit einer harten Auslosung und starken Gegnern zu kämpfen und durfte gegen den zweifachen bayerischen Meister FM Lukas Schulz (2298 FIDE) spielen. Dieser konnte jedoch eine klasse Königsindisch Partie abliefern und eine tolle Angriffspartie gewinnen. Immerhin beim abendlichen Fußballspiel konnte Philipp dann wieder ein paar Ausrufezeichen setzen.

Richard probierte sich währenddessen an einem sizilianischen Drachen gegen Toni Kottmair (2110 FIDE), war jedoch mit frühen a6 und e5 Zügen schnell im Hintertreffen und wurde dann ebenfalls geschlagen.

Gebrauchte Runde für uns, hoffentlich kann in der Schlussrunde nochmal gepunktet werden. Am Spitzenbrett verlor FM Miller überraschend seine Partie, sodass vor der neunten Runde noch alles offen ist.

Runde 9:

Die letzte Runde, wie üblich von vielen schnellen Remis geprägt, brachte für uns auch nur Punkteteilungen, allerdings hart ausgekämpfte: Richard rettete ein umgedrehtes Königsindisch aus einer schlechten Position gegen Christoph Sesselmann (2059 DWZ), während Philipp mehrere Gewinnchancen gegen Pascal Eichenauer (2103 DWZ) ausließ. Witzigerweise wiederholte Philipp dieselbe Eröffnung, die Richard gegen diesen speziellen Gegner am Brett hatte, da der Gegner kein Problem damit hatte, dieselbe Variante (in der Schwarz mit Vorteil rauskommt) zu wiederholen, ganz zum Sieg gereicht hat es dann aber leider nicht.

Bayerischer Meister 2024 ist am Ende dann ... wieder nicht Lars Goldbeck! Wie letztes Jahr beendete er das Turnier als geteilt Erster, und wie letztes Jahr muss er wegen der schlechten Zweitwertung (Buchholz) den ersten Platz doch noch abgeben. Letztes Jahr hatte Sebastian Reimann einen Buchholz-Punkt mehr, dieses Jahr FM Miller einen halben....

Unglaublich bitter für Philipps Kumpel Lars, der damit das zweite Jahr in Folge denkbar knapp nur bayerischer Vizemeister wird. Irgendwann wird es aber sicher mal klappen, und die Live-Elo bewegt sich für Lars weiter in Richtung 2400.

Fazit:

Eigentlich ähnlich wie in Spilimbergo! Extreme Hitze, gleichbleibend starke Gegner von 2100-2300 Level, kombiniert mit Doppelrunden sind echt wahnsinnig anstrengend. Philipp und Richard beendeten das Turnier beide mit 4/9 Punkten, und konnten damit ihr Ergebnis vom letzten Jahr steigern, so wirklich zufrieden war man am Ende jedoch nicht. Der Start lief zwar extrem gut, und besonders die beiden Partien gegen FM Robin Schlichtmann werden im Gedächtnis bleiben, das Niveau konnte in der Rosenheimer Hitze jedoch nicht gehalten werden. Insbesondere die Eröffnung brachte viele Probleme mit sich, und drei Niederlagen mit den weißen Steinen (Philipp) ist auf diesem Level natürlich ein Disaster. Insgesamt hat man sich aber trotzdem wieder ganz gut verkaufen und einige Ausrufezeichen setzen können, und es war sicher auch nicht die letzte bayerische Meisterschaft!

 

 

Hier auf chess-results.com könnt ihr die Ergebnisse nachlesen.

Partien live verfolgen auf lichess zu folgenden Terminen

Sonntag 25. August 2024        16:00  Uhr  Runde 1 Partien

Montag, 26. August 2024        15:00 Uhr - Runde 2 Partien


Dienstag, 27. August 2024      09:30 Uhr - Runde 3 Partien             16:00 Uhr - Runde 4 Partien


Mittwoch, 28. August 2024      14:00 Uhr - Runde 5 Partien

Donnerstag, 29. August 2024  09:30 Uhr - Runde 6 Partien            16:00 Uhr - Runde 7 Partien


Freitag, 30. August 2024         14:00 Uhr - Runde 8 Partien


Samstag, 31. August 2024      09:00 Uhr - Runde 9 Partien

Bericht Schachbund Bayern