7. Runde 17. 11. 2014 und 8. Runde 18. 11. 2014
Nachbetrachtung zur vielleicht Match-entscheidenden Runde 6: Am Sonntag (5. Runde der Bundesliga in Taufkirchen...) hatten wir Zeit, über das "Pokerface" nachzudenken, das Weltmeister Magnus CARLSEN in der 6. Runde angeblich aufgesetzt hatte, nachdem ihm - kaum hatte er den fatalen 26. Zug ausgeführt - bewusst geworden war, was er da angestellt hatte: I just saw it.... and felt panic. Die "Nahaufnahme" der entscheidenden zwei Minuten lässt erkennen, dass CARLSEN zunächst "stutzig geworden" seinen Stift auf sein Formular fallen lässt, und dann sieht man eigentlich - genau genommen - nichts, abgesehen von der Bescherung am Brett. ANAND prüft offenbar seinen zuvor gefassten Plan - auch ihn sieht man nicht, aber "a tempo" würde ich diese zwei-Minuten-Passage eher nicht bezeichnen. CARLSEN schafft es bloß, seine gefühlte Panik nicht zur Schau zu stellen, das nennt man dann also "Pokerface". Vermutlich spielte sich in seinen Schach-Ganglien ein Wirbelsturm hinsichtlich der Frage ab, ob noch sinnvoll Schadensbegrenzung möglich sein werde... Sichtbar wird seine Reaktion erst nach ANANDs Folgezug a4... der Stein, der ihm - CARLSEN - da vom Herzen gefallen sein muss kommt dadurch zum Ausdruck, dass er seinen Kopf nach vorne fallen lässt - spätestens hier wird wohl auch ANAND gedämmert sein, was da eben passiert war, "and he saw it too, too late..." CARLSEN schnauft durch: Hände zusammengelegt, Kopf darauf - Konsolidierung..., mehrmals. Ein "echtes Pokerface" sieht nach meinem Geschmack anders aus, der Weltmeister zeigte klar seine Reaktion, er ist halt vergleichsweise äußerst selbstbeherrscht dabei vorgegangen: ich sage dazu: Hut ab, er ist mir in der Situation keineswegs unsympathischer geworden. Das kann ich von den Reportern "post mortem" übrigens nicht sagen: "Wie genau hat sich ihre Panik angefühlt?" Ein bisschen mehr Respekt und Empathie wären m. E. angebracht. Wem nützt dieses Schlagzeilenheischende "in-den-Wunden-Herumgestochere" eigentlich, wie peinlich darf man sein?
In Runde 7 zeigte CARLSEN wieder die Grenzen der "Berliner Verteidigung" auf, und man kann sich fragen, ob er mit der auf 6 1/2 Stunden angelegten "Seeschlange" (122 Züge sind beinahe neuer WM-Rekord) womöglich eigentlich schon an der 8. Partie gearbeitet hat, in der er dann nach zwei Weiß-Partien wiederum die schwarzen Steinen zu führen haben würde: Vorbereitungszeit dafür gestrichen... Oder war es einfach nur der Versuch, vielleicht doch noch den minimalen Vorteil zu verwerten. Endspiele Turm+Springer gegen Turm werden ja gelegentlich doch auch gewonnen. Jedenfalls war es von beiden Spielern eine beeindruckende Präzisionsleistung. Respekt! REMIS, aber ausgekämpft...
Runde 8 folgte zunächst der von CARLSEN verlorenen 3. Partie, dann wurde aber rasch in eine seltene Uralt-Variante gewechselt. Manche Kommentatoren wollten erkannt haben, CARLSEN habe dabei "verschlafen" gewirkt. Mein Eindruck war eher, dass er mit verblüffend vorgetragener Leichtigkeit äußerst konsequent in den REMIS-Hafen steuerte, um somit den Anzugsvorteil von ANAND zu neutralisieren. Der jüngere erspielte sich einen Bedenkzeit-Vorsprung von etwa einer ganzen Stunde, ehe er im 41. Zug nach der ersten Zeitkontrolle das erste REMIS-Anbot akzeptierte. Beim nunmehr erreichten Match-Score von 4 1/2 zu 3 1/2 für den verteidigenden Weltmeister CARLSEN war das vor dem heutigen Ruhetag ein weiterer konsequenter Schritt hin in Richtung Titelverteidigung. ANAND muss nachlegen - wenn es irgendwie geht. CARLSEN bleibt im Vorteil.
Ausblick: Donnerstag, 20. und Freitag, 21. November folgen die Runden 9 und 10. Vermutlich werden wir aber auch noch eine 11. Partie am Sontag abwarten müssen/erleben dürfen... lg Benedikt